Praxis für Ergotherapie Bernd Jung Siegen

Sensorische Integrationstherapie

Was heißt Sensorische Integration?

Die sensorische Integration ist ein normaler neurologischer Prozess, der dem Menschen ermöglicht, seinen Körper und die Umwelt wahrzunehmen. Alle im Gehirn eingehenden Sinnesreize werden dabei geordnet, verarbeitet und gedeutet. Dies ist die Voraussetzung für den Menschen, sich in seiner Umwelt angemessen und erfolgreich verhalten zu können.

Wir unterscheiden

Körpernahsinne:

  • Tiefensensibilität (Das Wahrnehmen von Positionen und Bewegungen der Muskeln, Sehnen und Gelenken)
  • Gleichgewichtssinn
  • Tastsinn

Körperfernsinne:

  • Hören
  • Sehen
  • Riechen
  • Schmecken

Der Mensch nutzt somit die Wahrnehmung des eigenen Körpers (Körpernahsinne) und der Umwelt (Fernsinne), um z.B. eine gut funktionierende Grob- und Feinmotorik, eine gute emotionale Entwicklung aber auch ein angemessenes soziales Verhalten und Lernvermögen zu entwickeln.
Eine gut funktionierende Sensorische Integration sorgt dafür, dass sich der Mensch erfolgreich und emotional zufrieden mit seiner Umwelt auseinandersetzen kann.
Hierzu müssen verschiedene Wahrnehmungsbereiche miteinander verbunden werden.
Für die gesamte Entwicklung des Kindes spielt die Sensorische Integration von Beginn an eine zentrale Rolle. Das Kind nutzt die Erfahrungen aus seinen Sinnen, um Neues zu lernen oder um bereits Gelerntes noch einfacher und effektiver zu machen.
Im Nervengeflecht des Gehirns entstehen neue Verknüpfungen, die dann wiederum zum Lernen von komplexeren Fähigkeiten benötigt werden. Dies betrifft nicht nur das Lernen auf motorischer Ebene, sondern auch die sprachliche, emotionale und geistige Entwicklung. Erfahrungen werden genutzt, um darauf aufzubauen.
Wie es bei einem Baum, der ertragreich Früchte austreiben soll, notwendig ist, einen stabilen Stamm und feste Verankerung im Boden zu haben. Wenn dies nicht gewährleistet ist, kann er kaum fein verzweigte Äste bis in die Krone ausbilden und den Früchten Halt geben. Im übertragenen Sinne käme es zu einer Dysfunktion in der Sensorischen Integration.

Störungen der Sensorischen Integration

Von einer Sensorischen Integrationsstörung spricht man, wenn das Zusammenspiel und die Deutung der Sinnesreize nur unzureichend gegeben sind. Wenn diese ungeordnet im Gehirn ankommen und somit nicht ausreichend verarbeitet werden können, ist es dem Menschen nicht möglich, erfolgreich zu reagieren. Für Kinder werden das Lernen und effektives Handeln mühevoll. Oft bemerken sie nicht, wenn sie etwas falsch machen. Dazu kommt, dass bedeutende Erfolge fehlen, die für die differenzierte und konstruktive Reifung des Nervensystems notwendig sind. Kinder werden dann oft mutlos und verlieren ihre Aktivität oder Anstrengungsbereitschaft. Die Folge davon können auch Aggressionen oder depressives Verhalten sein.
Die Sensorische Integration kann auch durch neurologische Erkrankungen beeinträchtigt werden.
Es kann sein, dass trotz einer Sensorischen Integrationsstörung keine eindeutigen neurologischen Funktionsverluste sichtbar werden.

Wenn die Aufnahme der Sinnesreize, deren Verarbeitung und Weiterleitung gestört ist, kann es zu folgenden typischen Symptomen oder Auffälligkeiten kommen:

Im Säuglingsalter

  • Große Unruhe mit Schreiattacken oder auch auffallend geringe Aktivität
  • Beunruhigung oder Abwehrverhalten bei Berührungen oder Lageveränderungen
  • Probleme beim Trinken, Neigung zu Koliken
  • Störungen im Schlaf-Wach-Rhythmus

Im Kleinkind- bzw. im Schulalter

  • Verzögerungen in der motorischen Entwicklung
  • Unlust oder Angst vor Bewegungsangeboten
  • Kraftlosigkeit, Haltungsprobleme, geringe Ausdauer
  • Ungeschicklichkeit in der Grob- und Feinmotorik (Stolpern, Schaukeln, Fahrrad fahren, Schwierigkeiten beim Schreiben oder Malen)  
  • Eine ausgeprägte Suche nach starken, eindeutigen Reizen (häufiges Springen, Hinfallen lassen, Einnehmen von ungewöhnlichen Körperstellungen)
  • Vermeiden von Berührung bestimmter Materialien oder Textilien, z.B. Fingerfarbe, Erde, Sand, Wolle
  • Überempfindlichkeit oder Unterempfindlichkeit bei Berührungen, z.B. beim Kuscheln
  • Schmerzüber- oder Schmerzunterempfindlichkeit
  • Hyperaktivität
  • Mangelndes Selbstbewusstsein
  • Verzögerte Sprachentwicklung
  • Verhaltensauffälligkeiten beim Spielen mit anderen Kindern oder in neuen Situationen
  • Leichte Ablenkbarkeit, Vergesslichkeit
  • Lern- oder Leistungsstörungen

Die Sensorische Integrationstherapie und ihre Ziele

Die Sensorische Integrationstherapie wurde von der amerikanischen Entwicklungspsychologin und Ergotherapeutin Jean Ayres entwickelt.
Das Ziel dieser Therapie ist es, den Kindern und Jugendlichen Hilfestellung zu geben, um in den betroffenen Sinnesbereichen Entwicklung aufzuholen. Mit Hilfe des/der Therapeuten/in erfährt das Kind in einem geschützten Rahmen wieder Erfolgserlebnisse.
Die spielerische Gestaltung der Therapiesituation motiviert die kleinen Patienten und baut ihr Selbstbewusstsein auf. Durch diese Angebote werden die Verarbeitung der Körpereigenwahrnehmung, der Berührung oder des Gleichgewichtes und die Verknüpfung der Sinne untereinander verbessert. Dies stellt die Basis für optimales Lernen dar.
Diese Therapie wird an die speziellen Bedürfnisse und den individuellen Entwicklungsstand des Kindes angepasst.

Weitere Förderziele der Sensorischen Integration sind die Verbesserung von Handlungsplanung, Bewegungskoordination, visuelle Wahrnehmung wie räumliches Sehen oder Auge-Hand-Koordination. Auch die Kommunikation, Selbständigkeit und soziale Kompetenz sind Bereiche, die in die Therapie miteinbezogen werden.
Die Sensorische Integrationstherapie geht davon aus, dass höhere Leistungen wie z.B. Konzentration, Stifthaltung, Lesen, Schreiben usw. viel leichter und wirkungsvoller gelernt werden können, wenn deren Basis, somit eine gute Integration der Körpernahsinne, gegeben ist. 

Für die Förderung von Gleichgewicht und Körperwahrnehmung werden u.a. Medien wie Hängematte, Rollbrett, Kletterparcours, verschiedene Schaukeln, Trampolin, Bälle und Seilbahn eingesetzt.
Für die Therapie des Tastsinns oder der Feinmotorik kommen häufig Arbeiten in der Werksatt zum Einsatz. Hier wird z.B. mit Holz, Ton, Papier und vielen anderen Materialien gearbeitet.
Bei allem macht man sich den inneren Antrieb, die Motivation und die Phantasie des Kindes zunutze, um die Therapie erfolgreich zu gestalten. Somit werden eigene Ideen des Kindes mit einbezogen und Ängste und Hemmungen berücksichtigt.